Die Räuberprinzessin? Huch worum genau soll es denn nun in diesem Ratgeber gehen? Tatsächlich handelt es sich, kurzgefasst, um einen Erziehungsratgeber zur Geschlechtertrennung.
Vorab zur Klarstellung: In der Erziehung gibt es kein „muss“ oder „sollte“, ihr seid die Eltern und ihr entscheidet über euer Kind. Wir formen unsere Kinder. Aber nicht nur wir, sondern auch die Umwelt und Umgebung vermitteln unseren Kindern, wie sie sich zu verhalten haben.
Ich habe mich schon ziemlich oft über bestimmte Produkte oder Werbeslogans in den Läden oder Buchhandlungen geärgert. Vielleicht ist es bei mir besonders stark, weil ich eine Zeit lang eine alleinerziehende Mama mit einer Tochter war. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass ich nicht die einzige Mama bin, die sich einfach über gewisse Dinge ärgert, egal ob ihr nun eine Tochter oder einen Sohn habt.
Wir leben in einem Jahrhundert, wo man Sätze wie „Mädchen machen das aber nicht“ oder „Das ist ja wohl Frauenarbeit“ gar nicht mehr hören sollte. Diese Einstellung sollten wir auch unseren Kindern vermitteln. Leider ist das in der Spielzeugindustrie aber oftmals noch gar nicht angekommen. So werben zum Beispiel meistens Jungs für Wasserpistolen durch rabiate Piratenspiele – während die Mädchen ruhig und seelig mit ihren Puppen und Kleidern im Garten spielen.
Warum schränken wir unsere Töchter und Söhne so sehr ein, in dem wir ihnen sagen, was sie alles, auf Grund ihres Geschlechts, nicht tun können? Die Welt und der Bildungsdruck sind in der heutigen Zeit schon hoch genug, warum erhöhen wir den Stress auf unsere Kinder durch weitere Einschränkungen oder Rollen, in die wir sie zwängen wollen? Wir sind so oft damit beschäftigt, den Kindern das richtige „Förderprogramm“ heraus zu suchen, es zwei- bis dreisprachig zu erziehen, und vergessen dabei, Kinder einfach Kinder sein zu lassen.
Erfahrt jetzt, wie wir unsere Kinder (oft) unbewusst in bestimmte Rollen drängen, welche Fehler die Spielzeugindustrie macht, was Studien zu dieser Erziehung sagen – und vor allem, was wir als Eltern dagegen unternehmen können.
Die Kinder in eine Rolle schieben
Ich denke, wir als Eltern schieben unsere Kinder oftmals von ganz alleine in eine Rolle. Mädchen werden in rosa gekleidet, sehen immer ordentlich aus und spielen fröhlich mit ihren Puppen eine Teeparty nach. Boom, noch ein Turm ist kaputt gegangen. Während nebenan die Teeparty in vollem Gange ist, werden mit dem riesigen Bagger die Bausteine umgefahren. Was ein Spaß! Seht ihr schon einen Unterschied? Genau, die Rollenverteilung beginnt mit dem Spielzeug. Viel häufiger und ausschlaggebender sind aber die Dinge, die wir zu unseren Kinder sagen, die die Rollenverteilung fördern. Werfen wir doch mal einen Blick auf häufig gehörte Aussagen (egal ob im eigenen Haushalt, unterwegs oder auf dem Spielplatz):
Was Mädchen häufig hören:
- Komm wir machen uns zusammen schick, wir wollen doch gut aussehen.
- Nein pass auf deine Haare auf, mach die Frisur nicht kaputt.
- Mensch, eine feine Dame macht so etwas aber nicht!
- Mädchen hauen nicht!
- Mach dich bloß nicht dreckig, das Kleid ist neu.
- Erst nachdenken, dann handeln!
Was Jungs häufig hören:
- Indianer kennen keinen Schmerz, stell dich nicht so an.
- Jungs weinen nicht rum.
- Ja, spring in den Dreck wie ein richtiger Mann!
- Ich rülpse lauter als du!
- Sei nicht so ein Mädchen.
- Pass auf deine Schwester auf.
- Wenn ich nicht da bin, bist du hier der Mann im Haus.
Ich denke, wir sind uns einig, dass uns noch eine Meeeeenge solcher Aussagen einfallen und auffallen werden. Fällt euch etwas auf? Bei den Mädchen dreht sich alles um das Aussehen und das Benehmen. Bei den Jungs geht es meistens darum, besonders hart und „männlich“ zu sein. Viele Sprüche muss ich generell mit einem Schmunzeln ab tun und mir meinen Teil einfach denken. Dennoch – merkt ihr, wie die Kinder geformt werden? „Wenn ich nicht da bin, bist du hier der Mann im Haus!“ – *Hust* ok mein kleiner Schatz dann lieg‘ auf der Couch und ich bringe dir dein Essen, ist ja nicht wirklich etwas neues. ☺
Ich habe mir eine lange Zeit lang Gedanken über dieses Thema gemacht und um so mehr man darüber nachdenkt, um so mehr fallen einem die Unterschiede auf. Erst neulich saßen wir mit meiner Tochter und meinem Stiefsohn am Frühstückstisch: „Amilia, ein Mädchen matscht nicht mit dem Essen rum“, äußerte sich mein Mann. Entschuldigung? Ich hätte es auch nicht gerne, wenn meine beiden Männer mit dem Essen rummatschen! Es sind Kleinigkeiten im Alltag, die dennoch viel ausmachen.
Warum denn immer rosa?
Ja, warum denn immer rosa? Darf ein Mädchen gar nichts anderes tragen? Sprüche wie „Vor dem Kindergarten stand ein Mädchen und hatte eine blaue Jacke an. Eine blaue! Einige Mütter haben hyperventiliert!“bringen mich wirklich immer zum lachen!
Es gibt so viele wunderschöne, bunte Sachen – und Mädchen werden mit rosa zugeschüttet. Ich gebe zu, ich liebe rosa abgöttisch. Aber was ist, wenn eure Tochter später absolut kein rosa leiden kann? Ich versuche immer eine Farbvielfalt in ihrem Kleiderschrank und Kinderzimmer herzustellen. Und ja – es gibt auch Kleidung aus der Jungenabteilung für sie, denn sie liebt Feuerwehrmann Sam einfach! Wieso gibt es hiervon keine Kleidung für Mädchen? Dabei meine ich nicht in rosa, sondern die Schnittmuster und anderes.
Freie Entfaltung
Natürlich ist es nicht falsch, einem Mädchen etwas rosanes und einem Jungen etwas blaues anzuziehen. Manchmal kleidet man auch die Kinder gerne „typisch“ Junge oder „typisch“ Mädchen – es sieht oft ja auch einfach fantastisch aus, das kann keiner leugnen. Aber wie wäre es, den perfekten Mittelweg zu finden? Ich liebe Puppen, Teepartys und alles was mit Mädchenzeug zu tun hat. Aber seien wir doch einmal ehrlich, die Zeit, in der die Frauen einfach nur in der Küche stehen ist vorbei. Die besten Köche sind teilweise sogar Männer! Ich bin dagegen diejenige, die bei uns zu Hause einen Schrank zusammenbaut! Lasst eure Jungs mit einer Küche spielen oder mit einem Bügelbrett und schenkt euren Töchtern Werkzeugkoffer. Erzieht nicht nach dem Motto „Das macht ein Mädchen bzw. Junge nicht..“ – Nein, das macht man einfach nicht. Egal ob klein, groß, dick, dünn, männlich oder weiblich! Sich „Wie ein Mädchen benehmen“ sollte keine Beleidigung oder Mahnung an einen Jungen sein. Warum soll ein Junge nicht spielen zu bügeln oder zu kochen? Auch Jungs können eine wundervolle Teeparty veranstalten oder sich um eine Puppe kümmern. Wenn es ihnen Spaß macht, warum nicht?
Ein Mädchen kann genauso gut auf ihren Bruder aufpassen wie ein Junge auf seine Schwester. Das erfolgt nicht, weil er der „Mann“ ist, sondern weil Geschwister aufeinander acht geben! Dabei ist es beinahe lächerlich, wenn diese Aussagen zu dem jüngeren Bruder gemacht werden, der auf seine große Schwester aufpassen soll. Niemand würde auf die Idee kommen, der kleinen Schwester zu sagen, sie solle auf ihren großen Bruder aufpassen.
Die eigene Wahrnehmung wird beeinflusst
Nicht nur wir beeinflussen die Wahrnehmung unseres Kindes, sondern auch unsere Wahrnehmung ist bereits beeinflusst – und das schon vor der Geburt unseres Kindes!
In der Schwangerschaft kann man oftmals schon ziemlich früh das Geschlecht des Kindes feststellen. Hierzu fallen die Beschreibungen der Kindsbewegung der werdenden Mütter ganz plötzlich sehr unterschiedlich aus.
Es wird ein Junge
- So kräftige, energische Tritte
- Wahrscheinlich ein kleiner Fußballer oder Boxer!
Es wird ein Mädchen
- So eine ruhige Maus
- Ich glaube, sie tanzt Ballett da drin
- So sanfte Tritte
Dabei sind Unterschiede im Mutterleib eindeutig nicht festzustellen! Natürlich gibt es zu jedem Kind andere Verhaltensmuster und Schlafphasen etc., diese haben allerdings rein gar nichts mit dem Geschlecht zu tun.
Wir behandeln Mädchen oftmals zarter und rücksichtsvoller als die „toughen“ Jungs. Mädchen werden dadurch oftmals vor allem im Sport unterschätzt. Einem Mädchen die Hand beim Klettern oder balancieren zu halten wird als vollkommen normal angesehen, wobei es bei Jungs häufig heißt; „Lass ihn doch probieren, er fällt höchstens auf die Nase„. Auch wir selbst vermitteln kleinen Kindern auf diese Weise schon: Mädchen müssen besser behütet und beschützt werden. Dabei vergessen wir, dass die Kinder Schlüsse aus unserem Verhalten ziehen. „Du hältst meine Hand fest? – Ich kann das sicher nicht alleine“ „Du forderst mich auf es zumindest alleine zu probieren? – Ich schaffe das sicherlich!“
Somit gehen unsere Kinder alleine durch unsere Behandlung ganz anders mit den Situationen um. Auch daher kann das Klischee kommen, dass Jungs mutiger, tougher und draufgängerischer sind. Es wird ihnen schließlich von klein auf anerzogen.
Wir selbst sind jedoch auch vom Geschlecht unseres Kindes beeinflusst. Die BBC hat hierzu ein niedliches Experiment durchgeführt (Siehe unten in dem Video): Sie haben Jungen in Mädchenkleidung und Mädchen in Jungenkleidung gesteckt. Die unbekannten „Tester“ hatten hiervon keine Ahnung und sollten einfach mit den Kindern spielen. Um sie herum lag immer das Gleiche Spielzeug. So wurde festgestellt, bei Jungen wurde oft zu hartem Spielzeug wie Autos usw. gegriffen. Bei Mädchen wurde versucht, sie mit Kuscheltieren und Puppen zu animieren.
Produkte fördern die Rollenverteilung
Neben unseren wahrscheinlich mehr oder weniger daher gesagten Floskeln sind manche Produkte für Jungen und Mädchen beinahe lächerlich. Schon in der Werbung fällt auf – kleine Jungen werben für Pistolen und Autos, Mädchen für Puppen und Bücher. Falls ihr nicht wisst, was ich meine, liefere ich euch gerne ein paar Beispiele.
Lidl ist, so sehr wir die Kleidung auch lieben, leider manchmal ganz vorne mit dabei. Diese beiden Schlafanzüge erhaltet ihr bei Lidl. Natürlich sind sie beide einzeln für sich sehr süß. „Sei dein eigener Superheld“ und „Papa ist mein Superheld“, dagegen ist gar nichts einzuwenden. Dennoch – diese Kollektion gleichzeitig herauszubringen mit diesen Statements ist einfach unvorteilhaft. Natürlich kann Papa der Superheld sein, dagegen spricht nichts. Aber leider kommt das bei Mädchen-Kleidung ziemlich häufig vor. Und warum können Mädchen nicht auch ihre eigenen Helden sein?
Super toll, auch diese Werbung habe ich entdeckt. Wahrscheinlich gedacht als lustige kleine Bücher für Jungs und Mädchen. ABER, denken Mädchen laut der Autoren wirklich an nichts anderes als Schönheit, Deko und Kochen? Natürlich ganz einfühlsam geschrieben für die Sensibelchen. Aber Jungs müssen vor allem lustig sein, daher gibt es hier tolle Witze ? und Bastelanleitungen. Und da Jungs ja nicht so anspruchsvoll sind, ist der Schreibstil egal – Hauptsache bunt. Traurig, aber das ist nichts, was wir uns ausgedacht haben, sondern nur die Beschreibung. Und das für Kinder ab 8 Jahren! Wollen wir das wirklich unseren Kindern vermitteln? Wieso kann ein Junge kein Badesalz machen? Ich habe als Kind Geheimtinte – Achtung Spoiler: aus Zitrone ?- geliebt. Ach du Schreck – das dürfen nur Jungs wissen? Lächerlich!
Natürlich kommt das hier und da besonders oft vor. Schaut euch nur die Kleinkinder-Zeitschriften an. Bei Jungs findet ihr Bauanleitungen und Bilder von Baggern. Bei Mädchen findet ihr sogar schon in den Zeitschriften für die ganz Kleinen „Styling-Tipps“ etc.
Tchibo kann dagegen mit der Kollektion in Sachen Geschlechtertrennung sehr gut punkten. Hier geht deutlich hervor – keine Unterschiede für Jungs und Mädchen. Denn die Skatermode, die früher typisch für Jungs war, gibt es in dieser Kollektion auch für Mädchen und das ist einfach klasse!
Studien zu diesem Thema
Viele Studien haben ergeben, dass schon im Babyalter mit Mädchen mehr gesprochen wird. Dadurch sind Mädchen oft Wortgewandter und gelten daher fälschlicherweise als intelligenter. Sie kennen sich mit den Wörtern und der Sprache besser aus, daher fällt ihnen auch das Lesen leichter. Dabei wissen wir doch alle längst, wie wichtig lesen für unsere Kinder ist. Oftmals vergessen wir leider, diesen Umstand auch unseren Jungen zu vermitteln. Oft durfte ich von meinem Partner schon hören „Erklär dem Jungen das nicht, Männer brauchen Handlungen„; welchen Schaden wir mit diesen Kleinigkeiten anrichten ist uns oft gar nicht bewusst. Komischerweise kommen solche Aussagen niemals, wenn man einem Mädchen eine Situation in Ruhe erklärt. „Frauen hören niemals auf zu reden„; dieses Sprichwort kennen wir wohl alle. Tatsächlich werden diese Eigenschaften aber schon vom Babyalter an gefördert und geformt.
Frauen fällt es leichter, aus der Rolle zu fallen
Weiter stellen Studien fest, dass es Frauen um einiges leichter fällt, aus dieser Rollenverteilung heraus zu fallen, als Männern. Manche machen dafür die „Emanzipation“ verantwortlich. Schließlich ändert sich für Frauen über die Jahre so einiges, sie sind die stetige Veränderung und Verbesserung daher also gewohnt. Lustigerweise benutzen Männer das Wort Emanzipation auch einmal gerne als Schimpfwort. „Du bist ja so emanzipiert, dann kannst du das auch selber machen“ – und trotzdem sind sie dann überrascht, wenn man es wirklich selber tut.
Studien haben ergeben, dass Frauen Kinder viel seltener in bestimmte Rollen schieben wollen. Hier geschieht dennoch vieles unterbewusst, sie sind jedoch viel einfacher dazu in der Lage, sich bewusst gegen die Geschlechterverteilung zu entscheiden. So haben kleine Jungen mit alleinerziehenden Müttern oftmals nur die Mutter als Vorbild. Wie wir wissen, machen kleine Kinder einfach alles nach. So kommt es nicht selten vor, dass kleine Jungs morgens neben Mama sitzen oder stehen und sie beim Schminken beobachten. Mütter haben dabei gar kein Problem dem Kind, egal ob Junge oder Mädchen, „Schminkzeug“ (wie saubere Pinsel etc.) zum spielen zu geben. Selten wird eine Aussage gemacht „Nein das ist nur etwas für Mädchen“ – warum auch?
Frauen fällt es leichter, aus der Klischee-Rolle heraus zu fallen. Ganz einfach, weil sie selbst viele der Klischees abgelegt haben. Sie ermutigen ihre Töchter viel mehr selbstständig, mutig und selbstsicher zu sein. Gleichzeitig behandeln sie ihre Söhne mit der gleichen Sanftheit wie ihre Töchter. Leider fallen Männer oft noch in das Klischee, dass Jungs nicht „verhätschelt“ werden dürfen, da man sich sonst „Muttersöhnchen“ heranziehen würde. Und Mädchen sollen sich schließlich nicht wie kleine Rabauken benehmen!
Die Welt mit Kinderaugen sehen
Euch ist sicherlich schon aufgefallen, dass Kinder die Welt mit ganz anderen Augen sehen. So ist es auch in der Geschlechterrolle. Kindern ist es vollkommen egal, mit wem sie spielen – solange sie nur zusammen spielen. Fragt euer Kind wie viele „Helle, braune, weiße, schwarze Kinder“ im Kindergarten sind. Viele werden einfach nur antworten : „Mama da sind Kinder“. Ebenso wird es bei dem Geschlecht aussehen. Auch wenn die Kinder das Geschlecht der anderen Kinder natürlich kennen – ist es ihnen meistens dennoch egal! Ihnen ist egal ob sie mit einem Jungen oder einem Mädchen spielen. Ob ein Junge oder ein Mädchen einen Kuss bekommt – es sind ihre Freunde und sie spielen gerne mit ihnen! Wir Erwachsenen drängen die Kinder in bestimmte Ansichten. Gibt meine Tochter z.B. ihrer besten Freundin ein Küsschen, ist das absolut niedlich. Geht sie zu einem Jungen und möchte ihm ein Küsschen geben (weil das bei uns vollkommen normal ist, bei uns wird halt viel geknuddelt und geknutscht), heißt es direkt „Oho der erste Freund“, „Oho dieses und jenes..“, und so weiter.
Meine Tochter darf sein, wer sie möchte
Ich habe mich wirklich umfassend mit diesem Thema auseinander gesetzt – auch schon vor der Geburt meiner Tochter. Vieles wird einem jedoch erst mit der Zeit klar.
Vorab muss ich sagen, ich persönlich bin sehr geschlechtsneutral aufgewachsen. Ich habe einen großen Bruder und dadurch immer die Möglichkeit gehabt, auch mit „Jungs-Spielzeug“ zu spielen. Viele unserer Spielsachen haben wir uns geteilt. Ich konnte mir meine Sportarten immer selbst aussuchen und hatte ein großes Mitspracherecht bei meiner Kleidung. Ich liebe rosa, Schminke, Zöpfe und Prinzessinnen. Dennoch – wenn ich damals „Jungen-Kleidung“ tragen wollte, durfte ich es tun. Ich habe viele Jahre Kampfsport betrieben und mich für jungstypische Sachen interessiert. Kurz gefasst – ich hatte immer alle Möglichkeiten, mich zu entfalten und mir meinen Weg zu suchen.
Genau das wollte ich auch immer meiner Tochter vermitteln. Dabei muss man sich natürlich auch immer ein wenig selbst zügeln, denn dadurch, dass ich total auf rosa und Mädchensachen stehe, wird sie selbstverständlich auch in eine Richtung geleitet. Wenn ich mir heute meine kleine 3-jährige, toughe Tochter anschaue, bin ich froh, den richtigen Weg gefunden zu haben. „Räuberprinzessin“ beschreibt Amilia eigentlich am besten in einem Wort. Sie liebt Glitzer, Puppen, Puppenhäuser, Küchen und vor allem schick auszusehen. Dann schaut sie sich ziemlich lange im Spiegel an, dreht und wendet sich davor. Wir diskutieren über das Outfit und die Frisur. Und dennoch – sie ist ein wirklicher, kleiner Räuber. Sie spielt gerne im Dreck und Matsch und liebt – Mütter, nicht hyperventilieren – Feuerwehrmann Sam und Bagger. Sie hat kein Problem damit, dreckig zu werden und ist beim Mutter-Kind-Turnen manchmal mutiger als sie sein sollte. Wir lesen gerne – typisch Mädchen – und dabei sind Baustellen-Bücher ebenfalls besonders beliebt. Ich baue bei uns zu Hause sämtliche Schränke zusammen und repariere Dinge, die kaputt sind. Dabei steht mein kleiner Rabauke neben mir mit ihrem kleinen Hammer und hilft fleißig mit. In ihrem Zimmer muss ständig alles „repariert“ werden. Auf dem Elektroquad ist sie wagemutig und versucht freihändig zu fahren.
Ein wunderschönes Beispiel aus meinem Alltag zu geschlechtsbezogenem Spielzeug
Wenn mein Stiefsohn bei uns ist, wird natürlich mit Amilias Spielzeug gespielt. Er hat selbstverständlich auch eigenes Spielzeug bei uns, dennoch ist hier teilen angesagt. Wäre ja auch sinnlos, wenn wir alles doppelt kaufen. So passiert es aber auch, dass manche Dinge mit denen er spielt, eben rosa sind. Für uns gar kein Problem – und für ihn auch nicht!
Mein Mann zu seinem Sohn: „Du hast doch bald Geburtstag, was wünscht du dir denn? Möchtest du einen Roller mit Cars-Motiven? Ich habe letztens einen Schönen gesehen.“
Mein Stiefsohn fuhr währenddessen mit dem rosa-türkisen Roller meiner Tochter: „Nein, wir haben doch hier einen.“
Mein Mann: „Ja, aber der ist doch rosa?“
Mein Stiefsohn: “ Ja, aber ich kann mit dem genauso fahren.“
Was Eltern dagegen tun können
Wie ihr jetzt bereits merkt, setzt sich diese Geschlechtertrennung aus vielen Kleinigkeiten zusammen. Hier gibt es ein paar ausschlaggebende Kleinigkeiten, die ihr gerne tun könnt:
- Achtet auf eure Wortwahl: „Das macht ein Mädchen aber nicht ..“ – wird zu „Das macht man aber nicht..“ oder „Ich möchte nicht, dass du ..“
- Drückt mal ein Auge zu – Wenn der Junge die Barbiepuppe haben möchte, lasst ihn doch damit spielen, und auch eure Tochter kann zu Karneval sehr wohl als Batman gehen!
- Seid Vorbilder – legt auch zu Hause die „Rollenverteilung“ ab, auch wenn es nur für ein paar Momente ist. Papa kann auch mal Sonntags mit dem Sohnemann für das Mittagessen zuständig sein. Lasst nicht nur euren Sohn, sondern auch eure Tochter beim Bauen und Werkeln helfen.
- Lasst eure Kinder entscheiden – ihr glaubt gar nicht, wie positiv euch eure Kleinen überraschen können!
Eure Kinder können, was immer ihr ihnen vermittelt. Ist es nicht schön zu sehen, dass alle Möglichkeiten gut genutzt werden?
evafl21
10.08.2020, 09:26
Spannender Artikel. Ja, allein bei der Kleidung ist es ja schon verrückt, wie sehr da eine Prägung statt findet – ist mein Empfinden.
Kaddarina
06.07.2020, 08:32
Danke für den wirklich toll geschriebenen Artikel!
Iggiz
04.11.2019, 18:09
Aber nur weil ein Junge sich wie ein Mädchen verhält, ist er auch liebenswert. Rolle hin oder her. Heutzutage muss die Frau auch nicht mehr hinter den Herd.